Memory, Narrative & Forgiveness

Reflecting on ten years of South Africa’s Truth and Reconciliation Commission

Im November 2006 fand an der Universität von Kapstadt anlässlich der 10 Jahre zurückliegenden Gründung der Wahrheits- und Versöhnungskommission eine Konferenz statt mit dem Titel:
Memory, Narrative & Forgiveness. Reflecting on ten years of South Africa’s Truth and Reconciliation Commission

PAKH wurde eingeladen seine Arbeit vorzustellen. Der Beitrag lautete:
“A Reflection on the Dialogue Process between second Generation Descendants of Perpetrators and of Holocaust Survivors in Germany.“
Beata Hammerich, Johannes Pfäfflin, Peter Pogany-Wnendt, Erda Siebert, Bernd Sonntag

Still in the 90s of the last century, neither the psychological problems concerning the transgenerational transmission of the Holocaust nor the conditions for a constructive dialogue between the children of both victims and perpetrators were, with few exceptions, investigated. Predominantly there was silence and speechlessness. This circumstance was the motive for a group of jewish and non-jewish german psychotherapists, as well as for members of other professions, to found an association in the year 1995, with the aim to work exactly at this problems, the Psychotherapeutischer Arbeitskreis für Betroffene des Holocaust. PAKH. (Psychotherapeutical Working Group for Persons Affected by the Holocaust)

„Memory, Narrative & Forgiveness“ weiterlesen

Stolpersteine – Steine des Anstoßes

Reflektionen zur deutschen Geschichte

Günter Demnig und Uta Franke

Günter Demnig wurde 1947 in Berlin geboren. Er studierte ab 1967 Kunstpädagogik und Kunst in Berlin und Kassel und war zwischen 1980 und 1985 künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Kunst der Uni Kassel. 1985 eröffnete er in Köln ein Atelier, wo er seitdem lebt und arbeitet. Seine erste öffentliche Kunstaktion war 1971, als er aus Protest gegen den Vietnamkrieg in Berlin-Kreuzberg eine amerikanische Flagge, auf der er die Sterne durch Totenköpfe ersetzte, ins Fenster hängte. 1990 zeichnete er in Köln mit einer Farbdruckmaschine den Weg der Sinti und Roma vom Sammelplatz bis zur Verladerampe nach und verlegte eine Platte mit der Inschrift: „Mai 1940 – 1000 Roma und Sinti“. Damals wurde die Idee zu den „Stolpersteine“ geboren, als eine Zeitzeugin meinte: „Hier bei uns haben doch nie Zigeuner gewohnt.“ Im Oktober 2005 erhielt er für sein Projekt den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.

„Stolpersteine – Steine des Anstoßes“ weiterlesen

Allen Gewalten zum Trutz sich erhalten

Hillel Klein – Überlebender nicht Opfer der Shoa

Dr. Gemma Jappe

Zur Person: Frau Dr. Jappe absolvierte eine psychoanalytische Ausbildung nach den Richtlinien der DPV/IPV. Sie blickt auf über 40 Jahre Berufstätigkeit, bzw. 30jährige psychoanalytische Praxis zurück. Ihre Spezialgebiete sind Psychoanalyse und Sprache sowie psychoanalytische Diskurse zu Fragen der deutschen Geschichte, speziell den Folgen des Nationalsozialismus.

Veröffentlichung: Zur Psychoanalyse der Objektbeziehungen. Mit einer Erstveröffentlichung aus dem Briefwechsel von Sigmund Freud und Sándor Ferenczi. Herausgegeben von Gemma Jappe und Carl Nedelmann. problemata. 88. 1980.

Von der Schuld zur Verantwortung
Die Einstellung zur Nazi-Epoche gleicht auffällig dem, was Sigmund Freud einmal so beschreibt: Der Kranke “hat sich gewöhnlich damit begnügt, seine Krankheit zu bejammern, sie als Unsinn zu verachten, in ihrer Bedeutung zu unterschätzen, hat aber sonst das verdrängende Verhalten, die Vogel-Strauß-Politik, die er gegen ihre Ursprünge übte, auf ihre Äußerungen fortgesetzt.” Das Verdrängen aber birgt die Gefahr der Wiederholung, die für unsere Gesellschaft in der Formel “nie wieder von deutschem Boden…” beschworen wird. Es gilt, versteckte Bomben, ganz wie Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg, rechtzeitig zu entschärfen, wenn sie unvermutet ans Tageslicht gelangen. Doch werden uns Brandschutzmaßnahmen und Evakuierungen allein nichts nützen, wenn es nicht gelingt, solche Bomben auch als Symptome einer kollektiven Auseinandersetzung zwischen Widerstand und Erinnern zu behandeln.
Diese Arbeit vollzieht sich in winzigen Schritten: Es ist nicht möglich, Millionen von Toten insgesamt und wie ein für alle Mal zu betrauern – gerade solche Großkundgebungen sind anfällig für pathetische Entgleisungen. Es ist der Einzelne, dessen Schicksal anrührt. Hierzu anzustoßen, ist der Sinn von Stolpersteinen, wie ich ihn mit der Erinnerung an den großen Psychoanalytiker Hillel Klein (1923 bis 1985) setzen möchte.

Sein soeben erschienenes Buch “Überleben und Versuche der Wiederbelebung. Psychoanalytische Studien mit Überlebenden der Shoa und mit ihren Familien in Israel und in der Diaspora.” (mit einem Vorwort von Yehuda Bauer) beginnt mit einem Fanfarenstoß: “Eines Tages im Winter 1942 bewachte ein junger SS-Mann eine Gruppe müder Häftlinge, die einen Graben schaufelten, und fragte einen von ihnen: “Sag mir die Wahrheit. Wer wird im Krieg siegen?” Der Jugendliche, an den er sich wandte, zitierte leise ein lateinisches Sprichwort: “Im Krieg gibt es keine Sieger, nur Opfer.” Der Soldat wurde wütend. Er richtete einen Revolver auf den Kopf des jungen Mannes und sagte: “Wenn du nicht die Wahrheit sagst, Judenhund, dann bringe ich dich auf der Stelle um!” (…) Der junge Mann trat einen Schritt aus der Reihe heraus. Er war kühner geworden. “Deutschland wird den Krieg verlieren. Hitler kann nicht die ganze Welt zerstören.” Die beiden starrten sich für den Bruchteil einer Sekunde an. Der SS-Mann schwieg und steckte langsam die Pistole weg. “Weitermachen!” schrie er.

Dieser … Jugendliche war Hillel Klein, in Krakau geboren, seit dem Überfall auf Polen erst im Ghetto und Untergrund, dann im Arbeitslager. Noch im Jahr seiner Befreiung begann er mit Kindern aus Lagern zu arbeiten, studierte Medizin in München, emigrierte über Schweden nach Israel. Als Psychiater und Psychoanalytiker war er auch Hauptgutachter in Wiedergutmachungsverfahren.

“Ich will kein Opfer sein”, habe ich ihn oft sagen hören. Vordergründig ging es dabei um die Vermeidung neuer Verletzungen, letztlich aber darum, sein Leben nicht von der Fremdbestimmung durch die Verfolgung her zu definieren. In dem bedeutenden Vortrag “Von Schuld zu Verantwortung” (1983) verlegt Klein den Schauplatz der Auseinandersetzung mit dem Nazitum entschieden in die Gegenwart: “Wir sollen Verantwortung gerade nicht den fremden und eigenen Vätern überlassen und uns gerade nicht auf eine kollektive Schuld berufen.” Dies kann helfen, die schamerfüllten Augen vom Boden zu heben, erstmals genau hinzusehen und individuelle Verantwortung zu übernehmen: Was weißt du? Wen hast du gefragt und wie? Was denkst du wirklich? Wer bist du? Es geht um die inneren Berührungspunkte mit dem Nazitum gerade bei den “Untadeligen”, die sich dagegen gefeit glauben.

Antisemitismus gehört für Klein zu den Grundbedingungen des Menschseins. Er bildet eine Durchgangsstufe in der sehr frühen kindlichen Entwicklung. Wird sie nicht vollständig durchlaufen und überwunden, führt das zu Fixierungen und Fehlentwicklungen. Antisemitismus hat zu tun mit der Sehnsucht nach einem großartigen Vater, der das (mütterliche) Chaos der Schöpfung ordnet. Leider gelingt dies nie ganz, und je weniger das ertragen werden kann, desto massiver tritt ein Teufel auf den Plan, der die großartigen Absichten durchkreuzt, alles verdirbt und gar die Weltherrschaft an sich zu reißen droht – zum Beispiel das internationale Judentum.

Die Rede vom “Aufarbeiten der Vergangenheit” suggeriert, man könne etwas tun, und dann sei das Vergangene irgendwann weg. Mit “Durcharbeiten” meinen wir Psychoanalytiker aber etwas anderes: Tag für Tag, krümchenweise, den archaischen Boden, der immer neue Klumpen bildet, durchzuackern und zu kultivieren. In diesem Sinne ist Hillel Klein ein “Kulturarbeiter” zu nennen.