Romeo Franz’ Familie hat Verfolgung, Vertreibung und Mord erlebt — steht aber auch für Widerstand und das Überleben. Wie aus dieser Geschichte ein Buch wurde, erzählt Co-Autorin Alexandra Senfft
taz, 8.4. 2024
taz: Frau Senfft, Sie haben selbst aus der Perspektive der NS-Täter geschrieben – wegen Ihrer eigenen Familiengeschichte. Wie vertraut war Ihnen die Perspektive der Opfer?
Alexandra Senfft: Ich habe mich in den vergangenen Jahrzehnten schon sehr intensiv mit den jüdischen Perspektiven beschäftigt. Durch den Arbeitskreis für intergenerationelle Folgen des Holocaust, in dem ich als Vorstand wirke, bin ich im Austausch mit den Nachkommen der Täter und Täterinnen, der Mitläufer und Mitläuferinnen – und den Nachkommen der Verfolgten, Opfer und Überlebenden.
Das berührende Memoir einer preußischen Sinti-Familie
Vorankündigung: Das neue Buch von Alexandra Senfft, 2. Vorsitzende des PAKH
Seit mehr als 600 Jahren leben Sinti in Deutschland, Roma seit 200 Jahren. Ihre Kultur reicht viele Jahrhunderte zurück und ist tief mit der deutschen Historie verwoben. Anfangs noch als Handwerker, Künstler und Kaufleute hochgeachtet, wurden sie schon bald systematisch aus der Gesellschaft ausgeschlossen und verfolgt. Bis heute halten sich diskriminierende Stereotype und starke Vorurteile gegenüber der größten Minderheit Europas. Der preußische Sinto Romeo Franz kämpft seit Jahrzehnten für die Rechte von Sinti und Roma. In »Großonkel Pauls Geigenbogen« erzählt er seine beeindruckende deutsche Familiengeschichte. Wohl situiert, waren seine Ahnen bereits im 17. Jahrhundert ansässig in Preußen, Schlesien und Pommern und prägten dort die kulturelle und kaufmännische Welt. Mitreißend erzählt Franz die Chronik seiner Familie vom 19. Jahrhundert bis heute. Schillernde Charaktere und außergewöhnliche Schicksale treten ans Licht – aber auch die Erinnerungen an Ausgrenzung, Abwertung im Kaiserreich und schließlich die Vernichtung durch die Nazis.
Mit großem Stolz gibt er tiefe Einblicke in seine Herkunft und beleuchtet nicht nur die Bedeutung von Musik, Familie und Zusammenhalt, sondern auch die Folgen der fortgesetzten Verfolgung, die bis in die heutigen Generationen nachwirken. Romeo Franz‘ Geschichte ist ein bewegendes Plädoyer gegen Antiziganismus und eine Einladung zur Auseinandersetzung und zum Umdenken hin zu etwas ganz Selbstverständlichem: Gleichberechtigung.
Breaking the Spell of the Nazi Past: How to find a voice and a language to address NS war crimes within one’s own family mit der zweiten PAKH-Vorsitzenden Alexandra Senfft Brandeis University, Center for German and European Studies 13. Dezember 2023 >> Vortrag anhören
Irish Radio Station RTÉ Radio 1 CLIP • 30 MINS • 09 DEC • BRENDAN O’CONNOR
Oliver Sears, founder of Holocaust Awareness Ireland, joins Brendan to talk about his life as the son of a Holocaust survivor, and to give a Jewish perspective on the debate surrounding the current war in Gaza.
(PAKH-Mitglied) Maite Billerbecks Großonkel war SS-Offizier und ließ 1943 am Laggo Maggiore 16 Menschen erschießen. 80 Jahre später reist Billerbeck nach Italien, stellt sich der Vergangenheit – und erntet Applaus
Julius Müller-Meiningen, Weser Kurier, 12.10.2023 >> lesen
“ „Es wurde das Narrativ eines ruhigen Menschen gepflegt, der keiner Menschenseele etwas zuleide tun könnte.“ Ein Resultat der Aufarbeitung ihrer Familiengeschichte sei die Loslösung von Schuldgefühlen und die Transformation in etwas Fruchtbares gewesen“ — Maite Billerbeck über ihre Großonkel Hans Röhwer.
Philipp Siebert, Berliner Morgenpost, 6.10.2023 >> lesen
(PAKH-Mitglied) Maite Billerbeck litt an Schuld- und Schamgefühlen bis zur Depression. Dann erfuhr sie, dass ihr Großonkel Hans Röhwer der Haupttäter des Massakers an Juden am Lago Maggiore im September 1943 war. Ein Gespräch über den Sinn von Aufarbeitung.
„Wenn man nicht weiß, woher manche Verhaltensmuster oder Störungen kommen, lohnt es sich, die Familiengeschichte genauer unter die Lupe zu nehmen. Es wäre wichtig, diese Fähigkeit zur Introspektion zu entwickeln. Es gibt da auch Seminare, die bei der Recherche weiterhelfen. Der Arbeitskreis für intergenerationelle Folgen des Holocaust (PAKH) bietet so etwas zum Beispiel an.“
Julius Müller-Meiningen, der Freitag, 23. November 2023 >> lesen
PAKH-Mitglied Dr. Jürgen Müller-Hohagen mit Ingeborg Müller-Hohagen in: „Täterkind — Der Holocaust in uns“
Das Dachau Institut Psychologie und Pädagogik ist ein Ort, an dem Menschen sich über die Folgen des Nationalsozialismus austauschen können. Es wurde von Ingeborg und Dr. Jürgen Müller-Hohagen gegründet, mit denen das Täterkind Lars Winkler in dieser Episode ein Gespräch führt.