Von nichts gewusst? Spuren der NS-Geschichte in unseren Familien

PAKH-Vorständin Alexandra Senfft in der ARD alpha Sendung vom 24. November 2024

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Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben viele Familien die eigene NS-Vergangenheit verdrängt oder geschönt dargestellt. Geschichten von Widerstand und Heldentaten überlagern oft die unliebsamen Wahrheiten. Auch in Familien der Opfer wurde häufig geschwiegen. Zu groß der Schmerz, zu tief die Wunden. Aber das Schweigen hat Auswirkungen auf die nachfolgenden Generationen. Welche Auswirkungen sind das? Darum soll es in den diesjährigen „Gesprächen gegen das Vergessen“ gehen. Moderator Andreas Bönte lädt die Nachfahren von Holocaustüberlebenden, Rachel Salamander und Michael Wolffsohn, sowie die Nachfahrin eines NS-Kriegsverbrechers, Alexandra Senfft, zum Gespräch ins Münchner Volkstheater ein. Wie haben sie jeweils die Aufarbeitung in ihren Familien erlebt? Die weiteren Gäste sind der 21-jährige Marco Artmann, der in seinem erfolgreichen Podcast „Opa lass reden“ gemeinsam mit seinem Großvater auf Spurensuche gegangen ist. Neben einer wissenschaftlichen Einbettung des Themas durch den Diplom-Psychologen Louis Lewitan werden Musikeinlagen des preisgekrönten Augsburger Violinisten Nico Franz sowie Filmbeiträge und Schülerauftritte die Theaterbühne zu einem Forum gegen das Vergessen machen.

Von links: Prof. Dr. Michael Wolffsohn und Dr. Rachel Salamander (beide Nachfahren von Holocaustüberlebenden), Andreas Bönte (Moderator), Marco Artmann (Podcast „Opa lass reden“), Alexandra Senfft (Nachfahrin eines NS-Kriegsverbrechers) und Louis Lewitan (Psychologe und Autor). Foto: Bayerischer Rundfunk

Gegen das Vergessen

Gefühlserbschaften aus der NS-Zeit – vom Monolog zum Dialog

Am 7. November 2024 nahmen die PAKH-Vorsitzenden Peter Pogany-Wnendt und Alexandra Senfft an Gesprächen „Gegen Vergessen“ in Borken (Westfalen) teil. Vor über 120 Zuhörerinnen und Zuhörern teilten die beiden ihre Erfahrungen in Form eines dialogischen Vortrags und diskutierten anschließend mit dem Publikum.
In Vorbereitung auf die Veranstaltung gab Alexandra Senfft der Borkener Zeitung ein Interview.

BZ: Inwieweit verdrängen Nachfahren die NSDAP- und/ oder SS-Vergangenheit ihres Vaters oder Großvaters beziehungsweise wollen diese nicht wahrhaben? Ist die AfD-Vorsitzende Alice Weidel mit ihrem Dementi glaubwürdig, von der Tätigkeit ihres Großvaters als Militärrichter während des Nazi-Regimes nichts gewusst zu haben?

Senfft: Die AfD hat die Verleugnung der NS-Vergangenheit in empörendem Maß auf die Spitze getrieben, ihre Lügen über die Verbrechen der Nazis sind infam. Aber ihre Haltung fällt ja bei vielen auf fruchtbaren Boden, weil es leider weit verbreitet ist, sich den NS-Tätern und -Täterinnen sowie Mitläufer- und Mitläuferinnen in der eigenen Familie nicht zu stellen. Die Täter werden dabei zu abstrakten Dritten, selten wird anerkannt, dass es Menschen au unserem engsten Umkreis waren. Doch wie konnte es dann überhaupt zu solchen Verbrechen kommen, wenn die Tatsache, dass die meisten Deutschen irgendwie daran beteiligt waren, verdrängt wird? Es ist nicht leicht, sich einzugestehen, dass vielleicht sehr geliebte oder verehrte Angehörige Mittäter wurden. Doch ich halte es für einen notwendigen Schritt, sich damit auseinanderzusetzen, um nachhaltig aufzuklären. Dass die AfD an dieses Leugnen heute so erfolgreich anschließen und menschenfeindliche Parolen verbreiten kann, ist ein Hinweis darauf, dass diese Aufklärung innerhalb der eigenen Familie viel zu wenig stattgefunden hat.

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Alexandra Senfft mit Peter Pogany-Wnendt, Borken, 7.11.2024 Foto: Jean-Michel Simon

Hitlers langer Schatten: Welche Spuren hat die NS-Vergangenheit in Ihrer Familie hinterlassen?

Alexandra Senfft, 2. Vorsitzende des PAKH, im ARD Alpha „Tagesgespräch“ Live und parallel in Radio Bayern 2

Im Gespräch waren u. a. auch Menschen, die im PAKH stark vertreten sind: Nachkommen aus Familien, die einerseits jüdisch und anderseits Nazis waren, Nachkommen des politischen/kommunistischen Widerstands, Sinti und Roma.

19. Juli 2024

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Foto: BR2 /ARD Alpha

PAKH-Mitglied Oliver Sears in The Irish Times

I think of the hostages and their tortured families and weep for the broken generations in Gaza. Whatever injustice, historic and current, that successive Israeli governments have served to the Palestinians, there is no resonance with the Holocaust

The Irish Times, 6. Mai 2024

I was invited to join PAKH, the study group for intergenerational consequences of the Holocaust, last September. Comprising the descendants of victims and perpetrators, we meet to discuss our impossibly complex family stories.

Recently, online, we listened to Israeli Rami Elhanan and Palestinian Bassam Aramin explain how they work together to promote peace. The subjects of Colum McCann’s 2020 novel, Apeirogon, these heroic men each lost a daughter in the decades-long conflict. Their determination to focus on the importance of respecting the rights of the individual, their lack of self pity and how they have come to rely on each other, emotionally, is humbling to observe.

Both men possess the insight of inherited trauma, along with their own piercing personal loss. Bassam’s stems from the displacement of his people, Rami’s mother was, as he says laconically, a graduate of Auschwitz. They both agree that the absence of Palestinian self-determination was the reason they lost their children and that Israeli society entire needs a total reset. It’s clear to them that both Hamas in Gaza and the settlers who have taken over the Israeli cabinet are a disaster for both peoples…

These two remarkably dignified, emotionally literate men are the embodiment of Viktor Frankl’s maxim that to understand your own pain you must first help someone else understand theirs; and that when pain has meaning, it is no longer pain. Bassam says they are not friends but are brothers. They show us what is required to break the cycle of hatred. Rami was clear that it’s not necessary for Palestinians and Israelis to love each other but respect is the key.

As I think of the hostages and their tortured families and weep for the broken generations in Gaza, I accept with an open heart that, among my fellow PAKH members, I have come to love and embrace children and grandchildren of monsters. And this, in the Ashkenazi tradition of trying to repair the world, headache by headache. On Yom HaShoah, I sense this is the furthest point from despair that a heart like mine can travel within the boundaries of this difficult inheritance.

Oliver Sears is founder of Holocaust Awareness Ireland


Eine Geschichte der Selbstermächtigung

Romeo Franz’ Familie hat Verfolgung, Vertreibung und Mord erlebt — steht aber auch für Widerstand und das Überleben. Wie aus dieser Geschichte ein Buch wurde, erzählt Co-Autorin Alexandra Senfft

taz, 8.4. 2024 

taz: Frau Senfft, Sie haben selbst aus der Perspektive der NS-Täter geschrieben – wegen Ihrer eigenen Familiengeschichte. Wie vertraut war Ihnen die Perspektive der Opfer?

Alexandra Senfft: Ich habe mich in den vergangenen Jahrzehnten schon sehr intensiv mit den jüdischen Perspektiven beschäftigt. Durch den Arbeitskreis für intergenerationelle Folgen des Holocaust, in dem ich als Vorstand wirke, bin ich im Austausch mit den Nachkommen der Täter und Täterinnen, der Mitläufer und Mitläuferinnen – und den Nachkommen der Verfolgten, Opfer und Überlebenden.

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Vortrag

Breaking the Spell of the Nazi Past: How to find a voice and a language to address NS war crimes within one’s own family
mit der zweiten PAKH-Vorsitzenden Alexandra Senfft
Brandeis University, Center for German and European Studies
13. Dezember 2023
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Berliner Verein erinnert an NS-Verbrechen vom Lago Maggiore

PAKH-Mitglied Maite Billerbeck und ihr Berliner Verein zur Förderung der Erinnerungskultur

“ „Es wurde das Narrativ eines ruhigen Menschen gepflegt, der keiner Menschenseele etwas zuleide tun könnte.“ Ein Resultat der Aufarbeitung ihrer Familiengeschichte sei die Loslösung von Schuldgefühlen und die Transformation in etwas Fruchtbares gewesen“ — Maite Billerbeck über ihre Großonkel Hans Röhwer.

Philipp Siebert, Berliner Morgenpost, 6.10.2023
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