Der Skandal als vorlauter Bote

Die großen deutschen Geschichtsdebatten als Selbstaufklärung und Schuldaneignung der Gesellschaft

Veranstaltungsreihe von Hannes Heer
In Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln

Zur Veranstaltungsreihe:
Der Griff Nazideutschlands zur Weltmacht endete mit der totalen Niederlage und der Bilanz von fast 40 Millionen Opfern – u.a. 30 Millionen Sowjetbürger, 6 Millionen Polen, 2 Millionen Jugoslawen, 500 000 Tschechoslowaken. Unter ihnen waren 5 Millionen Juden, zu denen noch 1,3 Millionen ermordeter Juden aus West- und Südosteuropa und 500 000 Sinti und Roma gerechnet werden müssen. Schon 1946 lagen zwei Abhandlungen zur Frage nach der Schuld an diesen Menschheitsverbrechen vor: Karl Jaspers sah die politische Schuld aller Deutschen darin, 1932/33 zugelassen zu haben, »daß ein solches Regime bei uns entstanden ist«. Hannah Arendt konstatierte für die Endzeit des Regimes ab 1940/41 den Zustand einer »totalen Komplizenschaft des deutschen Volkes« und sprach von einer »›Volksgemeinschaft‹ des Verbrechens«. Aber die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft negierte diese Diagnoseangebote und entschied sich für eine Politik der Amnestie und Amnesie: Die 1949 gegründete Bundes- republik integrierte die Mehrheit der NS-Eliten wie der Beamten in den neuen Staat und ließ die von den Alliierten verurteilten Kriegsverbrecher frei. Gleichzeitig löschten die Deutschen die Verbrechen der Vergangenheit im kollektiven Gedächtnis, indem sie diesen Teil der Geschichte abspalteten und ihn Anderen zuwiesen: »Mitte der fünfziger Jahre«, so der Historiker Norbert Frei, »hatte sich ein öffentliches Bewußtsein durchgesetzt, das die Verantwortung für die Schandtaten des ›Dritten Reiches‹ allein Hitler und einer kleinen Clique von Hauptkriegsverbrechern zuschrieb, während es den Deutschen in ihrer Gesamtheit den Status von politisch Verführten zubilligte, die der Krieg und seine Folgen schließlich sogar selber zu Opfern gemacht hatten.« Gegen dieses Geschichtsbild konnte sich die Wahrheit nur in Form von Tabubrüchen durchsetzen. Die Reihe wird acht Fälle aus dieser 60jährigen Skandalgeschichte präsentieren.

Hannes Heer, Jahrgang 1941, Studium der Geschichte & Literatur, 1965 Gründer des SDS Bonn, 1968 Staatsexamen und Berufsverbot.
Publizist, Regisseur und Ausstellungsmacher in Hamburg

Terminübersicht:

  • 18. März 2018: »Nacht und Nebel«. Der Film, mit dem alles anfing [1955 – 1956]
  • 22. April 2018: »Die Endlösung der Judenfrage«. Der Eichmann- Prozess in Jerusalem [1961]
  • 13. Mai 2018: Der Papst und die Kirchen, die zum Völkermord  schwiegen. Rolf Hochhuths Theaterstück »Der Stellvertreter« [1963 – 1965]
  • 10. Juni 2018: Die Studentenbewegung 1965 bis 1968: Der Aufstand gegen die Nazigeneration
  • 9. September 2018: Die Konfrontation mit dem Massenmord an  den Juden: Die »Holocaust«-Serie [1979]
  • 14. Oktober 2018: Der Kampf um die deutsche Schuld. Weizsäcker-Rede [1985], »Historikerstreit« [1986] und Jenninger-Sturz [1988]
  • 11. November 2018: Die Wehrmachtsausstellung oder  die Rückkehr der Täter [1995 – 1999]
  • 9. Dezember 2018: »Der Brandstifter«. Martin Walsers Rede  in der Frankfurter Paulskirche [1998]

FORUM Volkshochschule im Museum am Neumarkt, Cäcilienstraße 29 – 33, 50676 Köln