Stellungnahme des PAKH-Vorstands, 6. März 2022
77 Jahre nach dem Ende der mörderischen NS-Herrschaft erleben wir eine in Europa für kaum mehr möglich gehaltene Invasion: Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wie Hitler 1939 wird auch heute Putin von der Allmachtsvorstellung der Wiederherstellung eines Imperiums getrieben. Dieses Ziel verfolgt er voller Grausamkeit, ohne Rücksicht auf Verluste. Wir verurteilen das unmenschliche Vorgehen Putins und seiner Mittäter.
Wir Mitglieder von PAKH sind Nachkommen von Opfern, Überlebenden und Verfolgten sowie Tätern, Mittätern oder Mitläufern des Holocaust. Bis heute bemühen wir uns um einen intensiven Austausch mit dem Ziel, uns das transgenerationelle Erbe der Feindschaften unserer Eltern, Groß- und Urgroßeltern bewusst zu machen. Krieg hinterlässt nicht nur verwüstete Städte und Landschaften, sondern führt auch zu verhängnisvollen seelischen Folgen. Die Überlebenden des Holocaust und die NS-Verfolgten wurden durch das erfahrene Leid meist so schwer traumatisiert, dass sie kaum in der Lage waren, das Erlittene emotional zu verarbeiten. Die mangelnde Anerkennung ihres Leids verlängerte es darüber hinaus für Jahrzehnte. Auf der anderen Seite die schwere Schuld der Aggressoren, die ihre Mitmenschlichkeit verdorren ließ. Diese Gefühlserbschaften unverarbeiteten Leids einerseits sowie verleugneter und verdrängter Schuld andererseits wurden über Generationen an uns Nachkommen weitergegeben: Sie arbeiten weiter in uns.
Die Bilder der Zerstörung in den ukrainischen Städten, von weinenden Kindern, Frauen und Männern sowie von Flucht verstören und wecken in uns allen, besonders aber in den Nachkommen der vom NS-Regime Verfolgten, schlimmste Assoziationen und Gefühle. Wo wird diese militärische Auseinandersetzung enden? Putins Behauptung der „Entnazifizierung der Ukraine“ ist eine infame Täter-Opfer-Umkehr und Umdeutung von Geschichte. Er und seine Regierung greifen nicht nur die Ukraine an. Sie führen Krieg gegen die Werte der Menschlichkeit: Solidarität, Fürsorglichkeit, Respekt vor der Würde und Selbstbestimmung, dem Leben der Mitmenschen. Das ist – wie jeder Krieg und jede Verletzung der Menschenrechte – ein Angriff gegen uns alle.
Was die heutige Situation von 1939 und 1941 unterscheidet, sind die Solidarität und eindeutige Verurteilung des Vorgehens Russlands durch Europa und fast aller Staaten dieser Welt. Die starken Reaktionen auf Putins Aggression und die Hilfsbereitschaft für die Flüchtenden lassen uns die Hoffnung nicht aufgeben.
Unser Verein will durch Arbeit an der Erinnerung und an den Gefühlserbschaften dazu beitragen, die Kräfte der Menschlichkeit und der Zivilcourage in der Gesellschaft zu stärken. Wir solidarisieren uns mit den Menschen in der Ukraine sowie dem demokratisch gesinnten Widerstand in Russland. Wir wenden uns ausdrücklich nicht gegen die Menschen in Russland. Der Dialog zur russischen Bevölkerung sowie zu Russen in Deutschland und anderswo muss dringend aufrechterhalten bleiben.
Wir sagen NEIN zu diesem Krieg!
Der Vorstand