Gesprächs- und Diskussionsforum zum Buch von Philip Roth
Zum Inhalt:
Zuckerman begegnet dem alternden Professor Coleman Silk, der durch Missverständnisse und Intrigen alles verloren hat – sein Renommee, seine Familie. Das große Geheimnis, das ihn umgibt, kann er wahrscheinlich nur mit Faunia, seiner jungen Geliebten, teilen. Ein Sittenbild der amerikanischen Gesellschaft.
Zunächst wollte der Autor Nathan Zuckerman, das seit vielen Bücher bekannte alter ego Philip Roths, dem wütenden Drängen seines Nachbarn Coleman Silk nicht nachkommen und ein Buch über dessen Leben schreiben. Doch je länger er sich im Sommer 1998, als sich die ganze Welt über Bill Clinton und seine Affäre mit Monica Lewinsky amüsiert, mit dem Ruheständler beschäftigt, je mehr beginnt ihn die Geschichte zu interessieren.
Coleman Silk, seit mehreren Jahren Witwer und Vater von vier erwachsenen Kindern, wurde unehrenhaft aus dem Athena College entlassen. Damit wird der ehemalige angesehene Dekan und Professor für klassische Literatur nur mühsam fertig. Der Grund für seinen Rausschmiss ist mehr als dürftig, dafür wiegt er um so schwerer. Es wird Coleman Rassismus vorgeworfen. Durch eine kleine Nebenbemerkung, er hat zwei Studenten als “dunkle Gestalten“ bezeichnet, soll er die abwesenden, farbigen Schüler wegen ihrer Hautfarbe beleidigt haben.
Coleman weist alle Vorwürfe weit von sich, ist wütend und verbittert. Doch noch nicht einmal seine Frau oder seine Kinder kennen sein streng gehütetes Geheimnis.
“Um dem Leben dies abzuringen – ein anderes, von ihm selbst bestimmtes Schicksal -‚ muss er tun, was getan werden muss. Wollen nicht die meisten Menschen das beschissene Leben, das ihnen auferlegt ist, einfach hinter sich lassen? Aber sie tun es nicht, und dadurch, dass sie es nicht tun, sind sie sie, während er dadurch, dass er es tut, er selbst ist.“ Als Zuckerman diesen Identitätswechsel begreift, den wahr gewordenen Traum der Freiheit, wendet sich die Geschichte seines Protagonisten grundlegend. Und der Leser hält den Atem an, denn so fesselnd wurde über die “richtige“ Hautfarbe, die sich zu einer Lebenslüge entwickelt, noch nicht geschrieben. Aber gibt es das wirklich? Ist eine solche Täuschung möglich? Die Vorlage für die Figur Colemans ist in der Realität der Essayist und Literaturkritiker der “New York Times“, Anatole Broyard.
Philip Roth konzentriert sich in diesem Roman über das gesellschaftliche Leben Amerikas auf sehr wenige Personen, doch diese schildert er mit unglaublicher Tiefenschärfe. Zum Beispiel die Familie Colemans, von der er sich letztlich lossagt oder Colemans Freundin und Geliebte Faunia, die mit vierunddreißig Jahren gerade halb so alt ist wie er. Sie, die einfache Putzfrau, wird von ihrem Ex-Ehemann, einem Vietnam – Veteranen, brutal misshandelt und verfolgt. Um den schrecklichen Erinnerungen an ihre eigene Kindheit zu entfliehen, gibt sie bei Coleman vor, weder Lesen noch Schreiben zu können. Ihre klugen Sätze beweisen jedoch das Gegenteil.
“Der menschliche Makel“, mit diesem Roman beendet Philip Roth seine Trilogie über die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, zu der auch die Bände “Mein Mann, der Kommunist“ sowie “Amerikanisches Idyll“ gehört, ist ein Buch, bei dem es gilt genau hinzusehen, nicht jede Geschichte stimmt so, wie sie zunächst erzählt wird. Es ist unabdingbar die Motive der jeweiligen Handlungen und Sätze im Hintergrund zu beachten. Also keine schnelle Lektüre, doch der Roman in seiner Reichhaltigkeit, wird in den Gedanken des Lesers haften bleiben und Spuren hinterlassen. – Eines der besten Bücher seit langem!
Philip Roth wurde 1933 als Sohn jüdischer Eltern in New Jersey geboren. Nach dem Studium folgten Lehrtätigkeiten an mehreren Universitäten in den Vereinigten Staaten. Seit 1965 lebt er vorwiegend in New York. Sein Werk, in dem sich Philip Roth immer wieder mit der jüdischen Problematik auseinandersetzt, wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet. Zuletzt erhielt er für Sabbath“s Theater den National Book Award